Freitag, 18. November 2011

OB DACH ODER LOS ( ein g*danken - protokoll)


OB DACH ODER LOS

habe gestern ein nicen brasilianer (viele glauben dort das alle deutschen reich sind, so sagt er), der grad eine freundin besucht, auf englisch „meen kleen friedrichshein“ gezeigt, den kiez der mir besonders da gefällt, weil der noch etwas bunter und abwechslungsreicher als prenzelberg scheint
erst mal schön ein vegieburger mapfen und dann dort die fahrräder stehen lassen um um die häuser zu ziehen, unbedingt das raw-gelände zeigen,
ein ort, ein begehrtes objekt profitgieriger investoren die dort lieber ein "familienfreundliches und generationenübergreifendes Wohnviertel mit klimafreundlichen Energiekonzepten und autofreier Zonen" sehen würden, das aber bis dato zum glück noch nicht umsetzen konnten, denn eigentlich ist das raw-gelände ein ort kreativer vielfalt, ob alternativ musik, künste, akrobatik, was fürs wohlbefinden, skatehalle, theater, pipapo bis hin zum flohmarkt ist alles da anzutreffen und wie wir so rüber latschen dachte ich: 'die oberbaumbrücke muß ich auch noch zeigen', also nüscht wie hin da, obwohls schon voll kalt war, aber die brücke ist einfach zu schön, deren view und deren symbolik!: war die doch einst zu lange ein teil der teilungsanlage, trennte ost von west und umgekehrt und nun verbindet sie wieder zwei supa bezirke,
we are now in westberlin?“ wurde ich gefragt? „yes!“ und erinnerte mich an meine persönliche erfahrung diesen schritt nach 18 jahren gelebtes leben zum ersten mal getan zu haben.
der view ist einfach zu schön, grad weils dunkel ist und sich die lichter in der spree reflektieren, zeigts doch alle facetten von berlin, 'ist so dreckig und doch och wundaschön'
ich hol meine kamera raus, stell die zeit ein um ne „langzeitbelichtung“ zu machen, häng die mir um den hals, weil ich kein bock habe das die ins wasser fällt und stell die aufs gelände und fotografiere:



mittlerweile ist es voll kalt geworden, dabei ist noch nicht mal winter, also wär es wohl sinnvoll zu den fahrrädern zurück zu gehen,
in der revaler straße kommt uns eine gruppe jüngerer leute entgegen, die in ein gespräch mit ein obdachlosen verwickelt sind, oh man – ich übertreibe, wars doch kein gespräch, die jungen leute sind ja nicht mal bei dem obdachlosen stehen geblieben, ich höre wie einer der jungen leute über sein rücken hinweg zu dem obdachlosen was ruft, in etwa er solle nicht meckern, der obdachlose erwidert: „ihr habt ja nicht mit mir geredet“
der junge kerl: „mach ich doch grad“
ein zweiter klinkt sich ein: „ich auch“
der obdachlose: "die anderen aber nicht"
lachend geht der trupp weiter ihren weg.
auf der höhe des obdachlosen angekommen quatscht der uns an: „könnt ihr mir helfen?“
ich frage worum es geht.
er stand da im dunkeln wie zu einer salzsäule erstarrt, aus seiner nase lief rotz, in einer hand, die dreckig war, hielt er eine bierflasche, in der anderen ein zusammen gefalteten zettel in einer klarsichtfolie steckend.
ich sei die erste „normale“ heute, die er begegnet weil ich zuhörte, er erklärte irgendwas irgendwie umständlich und deutete auf den zettel, ich schaute drauf und erkannte das es eine liste mit „notunterkünften für obdachlose“ war, ganz oben stand die „motz-notunterkunftsadresse und ich dachte er wollte wissen wo die sei, ich versuchte mein inneren stadtplan zu aktivieren um ihm zu zeigen wie er hin kommt aber er kam mir zuvor und meinte das er grad von da käm, wenn er den zettel umdreht wüsste ich auch was er will. er drehte den zettel um und in der selben zeile in der letzten spalte stand das das pro nacht 3,50€ kosten tät, das fand ich krass,
ich war eben echt so doof und hab gegoogelt ob das wirklich stimmte und habe ein artikel von Juni 2010 gefunden:
ich find das völlig unterste schublade das man von menschen in not auch noch geld verlangt, da kann man mir sonstwie erklären wollen das das zur systemintegration beitragen soll, manch einer ist so weit draußen das er gar nicht mehr zurück kommen kann, nicht mehr die dinge, um systemkonform zu sein, machen kann und ich finde wir sollten doch bitteschön die menschen nicht deswegen abstoßen oder ablehnen oder verachten oder missbilligen oder gar lächerlich machen, die sind alle auch als mensch geboren wie wir – einst!
was dazu führte da jene menschen so „unfähig“ geworden sind ihr leben zu organisieren hat wohl viele gründe, was ich weiß ist das das system AUCH mit dazu beigetragen hat, der rest ist so individuell wie alles hier und was ich vor allem weiß das wir ALLE als menschen geboren sind!
die liste in seiner hand war nicht lang, ich sah das noch andere notunterkünfte drauf standen, auch einige wo keine preisangabe beistand, doch war diese notunterkunft die einzigste in friedrichshein auf dieser für ihm ausgedruckten liste, er kann ja nicht in ein frauenhaus gehen oder so, weil er da nicht rein passen tät
es ist abends um 10 und soll man wirklich von dem mann verlangen das er im stande ist nach charlottenburg zu fahren um dann vielleicht festzustellen das die notunterkunft schon voll ist, weils ja voll kalt ist – dabei hat der winter noch gar nicht begonnen
er meinte, er habe 3 nächte schon nicht geschlafen, er kann nicht mehr, er sei am ende seiner kräfte, dabei schaut er mich nicht an, er starrte die ganze zeit mit gesenktem kopf in die leere, eben wie eine salzsäule
ich denke an die jungen leute von zuvor und bin irgendwie entrüstet das die nicht den mensch in ihm wahrgenommen haben, sondern nur eine vom leben gezeichnete figur/fratze die man ja leicht verarschen kann.

WIR SIND ALLE ALS MENSCHEN GEBOREN – EINST!

ich kram in meiner tasche und such 3,50€ raus, drück die ihm in die hand und bemerke das ich auch schon so beschissen schizophrän bin das ich betone das geld sinnvoll einzusetzen, ich tippe mit 2 finger auf sein bier und sage: „das hält dich nicht warm“ und er erwidert das er es geschenkt bekommen hat,
er bedankt sich fürs geld und ich wünsche viel erfolg, ein anderer passant klinkt sich ein und beim fortgehen erhasche ich seine worte: „willst du ein bier? ich hab welche übrig“
ich dreh mich um und bin SPRACHLOS!
hmmm, ich kann nur chancen geben, ja wir alle können chancen geben wenn wir nur wollen, wie die chancen genutzt werden ist jedem selbst überlassen, doch ich bin der meinung auch wenn chancen nicht immer unsere erwartung erfüllen, so sollten wir nicht aufhören chancen zu geben, weil ich weiß, das wir das können, einfach so und ich hab eine chance gegeben und weiß das du das auch kannst.
der winter hat noch nicht begonnen und es ist schon verdammt kalt draußen!

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